Dan Simmons - Terror
Stellt Euch folgendes vor:
Es ist dunkel, denn die Sonne wird erst in mehreren Wochen wieder aufgehen. Euch pfeift ein erbarmungsloser Wind um die Ohren, während ihr auf dem Deck Wache haltet. Es ist kalt, richtig kalt, schätzungsweise 55 Grad minus, so dass ihr ständig auf und ab hüpft, um keine Erfrierungen zu erleiden. Das Gesicht ist fast komplett bedeckt, und ihr tragt mehrere Schichten Kleidung, doch trotzdem ist es bitterkalt, so dass jeder Atemzug in der Lunge beißt und die Waffe, die ihr zur Wache tragt, direkt an euren Händen festfrieren würde, hättet ihr nicht zwei Paar Handschuhe an. Das Schiff, auf dem ihr dient, ist nun schon seit Monaten im Eis eingefroren und wird wohl noch Monate eingefroren bleiben. Das Eskimomädchen ohne Zunge, genannt Lady Silence, welches auf dem Schiff aufgenommen wurde, gibt auch einige Rätsel auf. Und als wäre das alles nicht schon schlimm genug, wisst ihr um ein großes Monster, welches draußen im Eis darauf wartet, den nächsten Matrosen zu holen und zu töten.
Das ist so in etwa der Grundtenor vom neuen Dan Simmons - Buch. Mit seinen fast 1000 Seiten ist es wieder ziemlich umfangreich geworden. Das Buch greift die legendäre Franklin - Expedition zur Erzwingung der Nordwest-Passage auf und füllt diesen historischen Hintergrund mit einer fiktiven Story. Hier werden geschickt Fakten mit Fiktionen zu einer großen Geschichte verwoben. Simmons versteht es wirklich phänomenal, den Leser mit in diese Zeit zu nehmen, zumindest ging es mir so, denn ich fieberte von Anfang an mit. Die Figuren sind sehr gut gezeichnet und durch den Wechsel in der Erzählung zwischen verschiedenen handelnden Personen, zum Beispiel Kapitän Crozier, den Schiffsarzt Goodsir, Leutnant Irving usw. bleibt das alles auch wirklich über die gesamte Länge des Buches interessant und spannend. Die Stimmung ist wirklich düster und man leidet richtig mit, wenn zum Beispiel wieder kein frisches Fleisch bei der Jagd erlegt wurde. Für mich einfach unvorstellbar, was diese Männer damals durchgemacht haben müssen.
Auch das Ende ist wirklich bewegend und passend. Ich habe mich oft gefragt, wie das denn ausgehen soll, es ist an sich ja bekannt wie die Expedition zum Schluß verlaufen ist ( will jetzt hier nichts verraten ) aber das hat Simmons wieder einmal toll gelöst.
Aber: Das Buch ist meiner Meinung nach kein Buch, dass man nebenbei mal eben so liest. Man muß sich schon drauf einlassen. Das merkt man zum Beispiel daran, dass die Sprache wirklich der Zeit in dem das Buch spielt, angepasst wurde (das trägt natürlich enorm zur Stimmung des Buches bei und ist dadurch umso intensiver). Teilweise geht so weit, dass bei den Tagebucheinträgen des Arztes sogar die damalige Rechtschreibung verwendet wird. Ich finde das wirklich grandios, denn es trägt wirklich dazu bei, dass man sich in diese Zeit versetzen kann. Aber es macht das ganze Buch eben auch anspruchsvoller. Wie gesagt, mir gefällt´s! Positiv ist auch, dass es am Ende des Buches ein Glossar gibt, in welchem die ganzen Begriffe rund um die Schifffahrt erklärt werden.
Wen das Thema nicht abschreckt, dem empfehle ich ganz klar, dieses Buch mal zu lesen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das jemandem nicht gefallen würde.
Habe schon einiges von Simmons gelesen ( Sommer der Nacht plus Nachfolger, Hyperion, Endymion, Kinder der Nacht, Kraft des Bösen, Göttin des Todes ) und jedes mal schafft er es, mich wieder komplett zu überzeugen. Ich denke ich werde demnächst mal Ilium und Olympos lesen, habe sie schon hier stehen aber bisher noch nicht rangetraut, weil ich in der griechischen Mythologie nicht gerade sattelfest bin (selbst das ist noch geprahlt), aber ich werde wohl nicht mehr lange die Finger von den beiden Büchern lassen können.
Viele Grüße
Berzerk
