
Ich habe vor einiger Zeit das Buch "American Psycho" gelesen. Habe mich beim Bücherkauf hauptsächlich auf das Feedback anderer Leser verlassen, die von diesem Buch hellauf begeistert waren. Ich las es auch bis zum Ende, und das Prinzip der Geschichte ist keineswegs schlecht. Was mich am Buch allerdings gestört hat war, dass es sich irgendwie gelesen hat wie eine Gebrauchsanleitung für ein Haushaltsgerät. Alles war trocken und irgendwie ausdrucks- und farblos in einer "Linie" geschrieben, und lediglich die "Abschlacht-Szenarien" waren EXTREM detailliert geschildert. Was sich allerdings zwischen diesen Szenen abspielte, wirkte irgendwie steril - teils unverständlich und irgendwie (falls ich mir anmaßen darf das zu sagen:) lieblos geschrieben. Ich hatte oft den Eindruck, als hätte Ellis beim Schreiben dieses Buches immer nur "irgendwas" geschrieben, um gefüllten Raum zwischen den einzelnen Morden im Buch zu haben. Fast wirkte es so, als hätte ihm das schreiben des restlichen Buches (mit Ausnahme der Mord-Szenen) nicht viel bedeutet oder keinen Spass gemacht.
Gut, mag sein, das Buch hat sicher einige schockierende und provokante Szenen drin, aber eine gute Geschichte lebt nunmal nicht einzig und alleine von bestialischen Morden. Es muss eine gewisse Stimmung vermittelt werden, und das ist meiner Meinung nach bei American Psycho nicht der Fall. Mit Ausnahme der tatsächlichen "Psycho-Szenen" (die brutalen also), kam irgendwie keine Stimmung auf. Es las sich teilweise wie ein 2-Seiten Aufsatz eines viertklässlers. Umgebungen, Personen und Gefühle wurden nur dann beschrieben, wenn dabei gerade irgendjemand abgeschlachtet wurde. War dies nicht der Fall, las sich das ganze irgendwie taub und farblos.
Wenn ich mich mit Leuten über das Buch unterhalten habe, und diese Kritikpunkte einbrachte, dann kamen immer die selben Argumente retour:
"Ja schon, aber das Buch ist schockierend"
"Ja schon, aber das Buch provoziert"
Schock und Provokation..sicher zwei Aspekte, die in derartigen Büchern nicht fehl am Platz sind, und die American Psycho auch besitzt, aber nur wegen Schock und Provokation, sehe ich nicht über einen total schwachen und emotionslosen Schreibstil hinweg...
Wenn eine Geschichte SEITENLANG so heruntergerattert wie folgendermassen verläuft (Was bei American Psycho der Fall ist), dann zweifle ich daran, dass der Author an was anderem als an dem Beschreiben der Mordszenen interesse hatte:
"Ich lief die Straße entlang, ging in den Supermarkt, stahl eine Dose schinken, lief weiter die Straße entlang, ging in die Halle eines Hotels, stellte mich in ein Eck, stopfte mir den Schinken in den Mund, ging hinaus, kotzte den Schinken auf ein Les Miserables Plakat, ging weiter, zog einen Passanten an mich heran, rülpse ihm ins Gesicht, lief die Straße weiter entlang..."
(ist kein Wörtliches Zitat, aber die Szene an sich gibt es im Buch wirklich, und sie wird auch ähnlich (lächerlich) rasant und undetailliert beschrieben)
Mordszenen widerrum werden in einer noch nie dagewesenen Detailliertheit beschrieben. Da opfert der Author dann plötzlich gerne eine halbe Seite der detaillierten farbenfrohen Beschreibung von zerfetzten Gesichtern oder herausquellenden Eingeweiden.
Ich will hier natürlich nicht den Moralapostel markieren, oder eine Anti-Gewalt Diskussion anfangen, zumal ich ziemlich viele Bücher "härteren Kalibers" gelesen habe und lesen, aber mir geht es einfach darum, dass American Psycho ein BESTSELLER wurde, und ich offen gesagt keine Ahnung habe warum. Ich fand auch nichts von der so hoch angepriesenen Gesellschaftssatire oder Kritik in diesem Buch:
ein reicher Yuppie arbeitet an der Wallstreet - umgeben von teuren Marken, vornehmen Restaurants und teuren Zigarren, und in seiner "Freizeit" bringt er Leute um. Was hat da bitte das eine mit dem anderen zu tun? Gut, das Augenmerk lag auf der Lebensleere, die er durch sadistische Morde ausfüllt, aber in der Geschichte wurde diese Lebensleere lediglich in einem Satz erwähnt, und zweitens kommt weder ein Grund für diese Lebensleere zum Vorschein, noch irgendein Bezug vom einen zum anderen (Snob-Leben / Massenmörder).
Wer kann meine Ansicht teilen? Ich verstehe den großen Erfolg von American Psycho im Grunde garnicht. Alles was ich herauslesen konnte war, dass American Psycho ein halbherzig geschriebenes Buch war, dessen "Kultstatus" anscheinend lediglich von ein paar bestialischen Mordbeschreibungen lebt. Wie seht ihr das?